Repräsentationen von Schönheit in dem Werbevideo

„Go beyond the Cover“

Normalisierung, Schönheit und Werbung

Normalität bezeichnet ein Verhalten oder ein Aussehen, das dem gesellschaftlichen Durchschnitt entspricht und somit anerkannt ist, bei dem es keiner Änderung bedarf. Sie fungiert als ein Standard an dem jegliche Erscheinung abgeglichen werden kann. Abweichung, oder Devianz, meint hingegen Verhalten oder Aussehen, das zu weit von dem gesellschaftlichen Durchschnitt entfernt ist, weshalb Handlungsbedarf besteht. Sie dient also auch zur Abgleichung und Versicherung der eigenen Normalität. Normalisierung ist in diesem Zusammenhang eine Praktik oder Handlung, die das Abweichende (wieder) der Normalität annähert (vgl. Hark 1999: 69). Schönheit, als soziales Konstrukt, ist abhängig von und beeinflusst gleichzeitig Vorstellungen von Normalität und Abweichung und stellt jedem Individuum die Aufgabe sich selbst zu positionieren. Im Kontext der sozial konstruierten Normalität besteht die Problematik ‚anders sein‘ zu müssen als alle anderen, um eine gesicherte Rolle in der Gesellschaft zu erlangen (Unterscheidung als Qualifikation), aber gleichzeitig ununterscheidbar sein zu müssen um dazuzugehören, um im Rahmen der Normalität und somit anerkannt in der Gesellschaft leben zu können:

„[W]enn er – worauf es ankommt! – ist, wie alle anderen, die Kriterien der Vergleichbarkeit jedoch intransparent sind, bedarf es beständiger Anstrengung, auch so zu bleiben, wie alle anderen, denn nur sie liefert die Indikatoren für seine Normalität.“

(Hark 1999: 67)

So zeigt sich, dass ein Individuum in unserer Gesellschaft Arbeit investieren muss, um innerhalb der Normalitätsgrenze zu bleiben, was sich zum Beispiel in Schönheitshandlungen zeigt. Wenn ein Individuum aber, zum Beispiel durch Tätowierungen, optisch bereits von der gesellschaftlichen Normalität abweicht, muss es Arbeit aufwenden, um sich der Normalität anzunähern, um ‚richtig‘ auszusehen und sich ‚richtig‘ zu verhalten. Nach Sabine Hark ist„[d]ieses ‚richtige Verhalten‘ […] dabei nicht normativ im Sinne einer starken, kontradiktorischen und absolut exkludierenden Unterscheidung von richtig/falsch. Es handelt sich vielmehr um eine ‚weiche‘, gewissermaßen schwellenförmige Differenz; ‚richtig‘ ist lediglich ein Zustand eines homogenisierten Normalfeldes, das keine fundamentale Diskontinuität zwischen richtig/falsch, normal/abweichend kennt. (1999: 67). Wo diese (fließenden) Grenzen zwischen Normalität und Abweichung liegen, wird einerseits in sozialen Prozessen verhandelt, andererseits werden diese Grenzen medial, zum Beispiel durch Werbevideos, repräsentiert und reproduziert. Somit treten Massenmedien „an die Stelle ‚habituellen Normalitätswissens‘“ (Link, Loer, Neuendorff, 2003: 14).

Es zeigt sich also, dass es in der westlichen Gegenwartsgesellschaft einerseits notwendig ist, sich durch besondere Merkmale hervorzuheben, andererseits nicht aufzufallen, oder aus der Masse zu sehr hervorzustechen. Daraus ergeben sich die Pole der Normalität und der Abweichung und die Strategie der Normalisierung, die einerseits die (fließende) Grenze zwischen diesen Polen konstituiert und andererseits zu einer Annäherung der Abweichung an die Normalität führt. „Auf Ebene des allgemeinen Diskurses ist der Begriff Normalität und sind Aussagen über Normalität als Aussagen über prekäre Verhaltens-Grenzen omnipräsent“ (Willems 2003: 54). Normalität legt also letztendlich eine Toleranzgrenze fest; innerhalb dieser Grenze liegt tolerierbares Verhalten, außerhalb der Grenze solches, das nicht anerkannt bzw. nicht toleriert wird (vgl. ebd.: 54).
Werbung als massenmediales Erzeugnis, das eine breite Zuschauerschaft erreichen soll, repräsentiert und reproduziert diese Normalitäten und gesellschaftliche Vorstellungen von dem, was ‚normal‘ ist (vgl. Willems 2003: 75). Sie liefert also die Normalitäts- oder Toleranzgrenzen, die sich in den Habitus des Individuums einschreiben. So werden in der Werbung zum Beispiel „Formen normaler Abweichung“ (ebd.: 77), die sich unter anderem in Hautunreinheiten oder Falten äußern, dargestellt und als problematisch und änderungsbedürftig identifiziert; es kommt zur Stigmatisierung. „Sie erscheinen als Makel, die die Identität des Betroffenen einschränken und die sozialen Erfolgschancen mindern“ (ebd.: 77). Dabei wird die Bedeutsamkeit der Abweichungen zwar deutlich gemacht, aber gleichzeitig die heile Werbewelt nicht gestört und nach der Identifikation des Problems wird sogleich eine Lösung geliefert: das beworbene Produkt.

Literatur

Hark, Sabine (1999): Normalisierung und Subjektformierung. In: Sohn, Werner/Mehrtens, Herbert (Hg.). Normalität und Abweichung – Studien zur Theorie und Geschichte der Normalisierungsgesellschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. 65-84.

Link, Jürgen/Loer, Thomas/Neuendorff, Hartmut (Hg.) (2003): >Normalität< im Diskursnetz soziologischer Begriffe. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren.

Willems, Herbert (2003): Normalität, Normalisierung, Normalismus. In: Link, Jürgen/Loer, Thomas/Neuendorff, Hartmut (Hg.). >Normalität< im Diskursnetz soziologischer Begriffe. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren. 51-83

Video

Go Beyond The Cover (2011)
http://www.gobeyondthecover.com/index.aspx